Metronome,
Monitore, Kameras
Videokünstler Andreas M. Kaufmann stört den Gleichwichtsinn
Von Renate Roos
Keep
moving on wer kennt es nicht, das Credo unserer Tage. Im
multimedialen Zeitalter avancierte das Erfolgsrezept für Körper,
Geist und Geld zum Perpetuum mobile unserer Gesellschaft. Koordinationssysteme
wie Zeit und Raum überdauern sich selbst, denn neu geschaffene Relationen
lassen ganze Dimensionen, wie etwa die der Vergangenheit zu unfunktionellen
Begrifflichkeiten verblassen.
Doch was, wenn Begriffe wie vorwärts, rückwarts,
seitwärts sowie oben und unten
nicht mehr funktionieren?
In der Galerie Gabriele Rivet inszeniert der Videokünstler Andreas
M. Kaufmann einen kunstvoll herbeigeführten Koordinationskollaps
und bringt das Gleichgewicht auf teilweise schmerzhafte Weise ins Schwanken.
Ein ganz normaler Fernsehbildschirm in einem ebenso unauffälligen,
wenn auch engen Raum spiegelt die Bewegungen des Besuchers im Raum wider.
Unterhalb des Bildschirms schlägt das Pendel eines Metronoms in regelmäßigem
Takt. Und in demselben unerbittlichen Rhythmus schwankt das Bild des Besuchers
auf dem Bildschirm hin und her.
Innerhalb von Sekunden verflüchtigt sich der Gleichgewichtssinn.
Selbst der Versuch, aus der Reichweite des Kameraobjektivs zu fliehen,
entpuppt sich als unmöglisches Unterfangen. Gebannt hängt das
Auge am Bildschirm und sieht hilflos zu, wie sich der Raum auflöst
und nur die absolute Empfindung der Enge zurückläßt, die
klaustrophobische Qualität annehmen kann. Die Kamera befindet sich
am Pendel des Metronoms. Bereits vor 63 Jahren klebte Man Ray die Abbildung
eines Auges auf das Pendel eines Metronoms und stellte so metaphorisch
den Wirklichkeitsanspruch der Wahrnehmung in Frage.
Andreas M. Kaufmann inszeniert nun die Frage als körperlich wahrnehmbares
Phänomen, das der Besucher nach anfänglichen Orientierungsschwierigkeiten
selbst untersuchen kann. In einem zweiten Raum befindet sich ein tribünenartiges
Gerüst, auf dem eine Vielzahl von Metronomen, Kameras und Monitoren
in unterschiedlichen Rhythmen jeden Winkel des Raumes ausloten.
Das tickende Chaos der Metronome weckt ein andersartiges Bewusstsein von
Zeit, Rhythmus und ihrer Wahrnehmung. Mit der Konzentration der eigenen
Wahrnehmung beginnt das Gehirn bestimmte Töne zu filtern und lässt
andere wiederum als körpereigene Rhythmen zu. Ein subjektives Wahrnehmungsphänomen,
das übrigens auch unseren gesamten Alltag bestimmt.
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